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Kiezspaziergang gegen MediaSpree 22.04.08 - Aufruf


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Wer hat Lust auf „MediaSpree“?

Aufruf zum informativen und demonstrativen Kiezspaziergang: „MediaSpree versenken!“

Samstag, 19.04.08, 14 Uhr, Boxhagener Platz (FHain)

Billige Mieten für Anwohner_innen statt hohe Profite für Immobilienbesitzer – Öffentliche Parks und Spielplätze statt Konzernzentralen – Wagenplätze und Hausprojekte statt Büroblöcke – Kostenlose BVG statt Autowahn – Bäume statt Werbetafeln – Alternative Bildung und Kultur statt Konsum und Kommerz

Die Stadt verändert sich

Seit Jahren nimmt in Berlin (wie auch sonst in der BRD) die Ungleichheit in der Gesellschaft zu, immer mehr Menschen leben in Armut. Gleichzeitig steigen die Mieten: insgesamt, aber vor allem in den Gebieten der Innenstadt, die für gutverdienende Menschen als Wohn- und auch Arbeitsort interessant geworden sind. In manchen Bezirken haben diese Prozesse – steigende Mieten bei stagnierenden oder sinkenden Löhnen, Umwandlung in Eigentum, hohe Arbeitslosigkeit und sinkende Sozialleistungen – zum Austausch eines Großteils der Bevölkerung geführt, etwa in Prenzlauer Berg und in Mitte. Die Immobilienbesitzer sind die großen Gewinner von Aufwertung und steigenden Mieten, ebenso wie Menschen mit einem guten Einkommen, die sich die schick sanierten Wohnungen etwa am Kollwitzplatz leisten können. Menschen ohne Arbeit oder mit schlecht bezahlten Jobs, die Verlierer dieser Entwicklung, werden zunehmend aus den Innenstadtbezirken verdrängt. Die herrschende Politik lässt diese Entwicklung zu und fördert sie sogar nach Kräften. In Zeiten der Ideologie von ausgeglichenen Haushalten und „leeren Kassen“ – infolge hoher Sozialkosten, Steuersenkungen für Reiche, idiotischer Bauprojekte und Korruptionsskandale – wird Stadtentwicklung zunehmend den privaten Investoren überlassen. Wie Deutschland international im Standortwettbewerb um Investitionen konkurriert und deswegen Tariflöhne anscheinend nicht mehr gezahlt werden können, konkurrieren einzelne Städte um die Ansiedlung von Unternehmen. Das hat sich bis heute nicht geändert – obwohl der Traum Berlins, eine globale Dienstleistungsmetropole zu werden, mit dem Bankenskandal in eine Katastrophe geführt hat. Die Stadt soll schick und attraktiv gemacht werden für Unternehmen aus „zukunftsträchtigen“ Branchen wie der Medienindustrie. Dafür werden eben auch steigende Mieten und Verdrängung von Menschen mit wenig Einkommen in Kauf genommen, eine Entwicklung, die auch „Gentrifizierung“ genannt wird. Die Stadt wird immer mehr zur Stadt der Konzerne, deren Interessen bestimmen, was wo wie gebaut wird, welcher Ort wie genutzt wird. Wer sich jedoch gegen höhere Mieten und Verdrängung, gegen Standortlogik und Gentrifizierung zur Wehr setzt, gerät schnell ins Visier von Staatsschutz und Polizei oder wird gar als „Terrorist“ verfolgt.

Vom Potsdamer Platz nach Osten: „Media Spree“

Geht es nach den Plänen interessierter Konzerne, deren politischer Unterstützer sowie des öffentlich geförderten Lobbyvereines „Media Spree e.V.“, entsteht am Spreeufer in Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Treptow ein Ensemble kommerzieller Großbauten – Konzernzentralen, Büroblöcke, Luxuswohnungen, Veranstaltungshallen und Hotels, auf einer fast achtmal so großen Fläche wie die Neubauten am Potsdamer Platz. Das Ganze wird „Media-Spree“ genannt. Um hier kleinen und großen privaten Unternehmen und Konzernen große Profite zu ermöglichen, sollen alle städtischen Grundstücke privatisiert und die Spreeufer fast restlos zugebaut werden. Die privaten Investoren werden großzügig mit Subventionen in Millionenhöhe bedacht – in Zeiten, in denen angeblich nicht einmal genug Geld in den öffentlichen Kassen ist, um die Gesundheit der Schulkinder im Bezirk zu gewährleisten. Für nichtkommerzielle kulturelle und soziale Orte wie das linke Hausprojekt „Köpi“, den Wagenplatz „Schwarzer Kanal“ und die multikulturelle Begegnungsstätte „YAAM“ ist in den Plänen der „Media-Spree“-Lobby kein Platz vorgesehen – genauso wenig wie für Anwohner_innen-Gärten und öffentliche Parks, für ein soziales Zentrum und Abenteuerspielplätze. In Zukunft werden fast überall die besitzenden Firmen und Konzerne bestimmen, was auf den ihnen gehörenden Flächen passiert, und sie werden auch bestimmen, wer diese Flächen und Gebäude betreten darf, wer erwünscht ist und wer nicht. Schon jetzt werden viele Flächen mit Kameras überwacht, und private Wachdienste und Polizei sind gemeinsam bemüht, jeden Protest gegen die Stadtumstrukturierung am Spreeufer zu ersticken.

Durchgangsverkehr, steigende Mieten, Armutslöhne

Nicht nur die Spreeufer werden fast komplett zugunsten der kommerziellen Nutzung der Allgemeinheit entzogen, die Auswirkungen von „Media-Spree“ für die umliegenden Bezirke werden äußerst unangenehm sein. So wird der Durchgangsverkehr in den angrenzenden Gebieten massiv zunehmen – allein für die sogenannte „O2-Halle“ werden tausende neue Parkplätze entstehen. Sogar eine neue Autobrücke über die Spree soll gebaut werden – obwohl mittlerweile Studien ergeben haben, dass dieses Vorhaben etwa in kreuzberger Wohngebieten eine Verdreifachung des Autoverkehrs zur Folge hätte. Mit dem Versuch, gezielt Unternehmen der Medienindustrie anzulocken, geht eine steigende Nachfrage relativ gutverdienender Menschen nach modernisierten und schicken Wohnungen in den friedrichshainer und kreuzberger „Szene“-Vierteln einher. Schon jetzt kommt es in den an „Media-Spree“ angrenzenden Gebieten zu einer massiven Steigerung bei den Mieten, sowohl für Gewerberäume als auch für Wohnungen, und diese Entwicklung wird sich noch verschärfen, wenn die Pläne der Media-Spree-Strategen Wirklichkeit werden sollten. Bereits heute sind die Folgen der schon stattgefundenen massiven Privatisierung von Wohnraum deutlich erkennbar. So wurden hunderte Mietshäuser der GSW, die vorher der Stadt gehörten, an den Immobilienfond „Cerberus“ verkauft – mit drastischen Mieterhöhungen für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die kleineren Gewerbe- und Kultureinrichtungen in diesen Häusern als Folge. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis als Folge der kapitalistischen „Entwicklung“ der Spreeufer viele Bewohner der an „Media-Spree“ angrenzenden Gebiete sich die gestiegenen Mieten nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Frei werdende Wohnungen können sich in Zukunft nur die besser verdienenden Menschen leisten, ganz zu schweigen von den neu entstehenden Luxuswohnungen. Die Politiker_innen in Senat und Bezirk weigern sich bislang, diese Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen. So gibt es bis heute kaum Schutz gegen die steigenden Mieten, etwa in Form von Mietobergrenzen. Die Strategen von „Media-Spree“ verweisen darauf, dass ihr Projekt neue Arbeitsplätze schaffe und dass davon auch die AnwohnerInnen in den benachbarten Stadtteilen profitieren würden. Doch welche Jobs entstehen da für Menschen, die keinen der gut bezahlten Arbeitsplätze für kreative Akademiker abbekommen? Von den Armutslöhnen, die in den neuen Hotels und Veranstaltungshallen, in Callcentern und für den Wachschutz unterm O2-Werbeschild bezahlt werden, können die stetig steigenden Mieten schon lange nicht mehr bezahlt werden.

„Media-Spree“? Nicht mit uns!

Wir sind Anwohnerinnen und Anwohner, Arbeitslose und Studentinnen, lesbische Künstlerinnen ohne Geld und schwule Fahrradfahrer ohne Auto, Mieterinnen und prekär Beschäftigte, Migrantinnen und Linksradikale, und: wir lassen uns nicht einfach aus den Kiezen vertreiben, wir haben keinen Lust auf „Media-Spree“! Und wenn die Media-Spree-Lobby meint, sie könne ihre Vorstellungen der kommerziellen Zurichtung der Spreeufer gegen uns durchsetzen, dann haben sie sich geschnitten! Gemeinsam sind wir stark – und gemeinsam werden wir den kapitalistischen Media-Spree-Irrsinn stoppen! Wir wollen Spielplätze und Parks und Gärten und ein schönes Leben für alle. Wir wollen alternative Projekte und nichtkommerzielle Kultur. Wir wollen mitbestimmen, was auf den Flächen an der Spree passiert und uns nicht die Pläne der profitorientierten Konzerne vor die Nase setzen lassen. Unsere Kinder brauchen gute Schulen und hierfür muss das Geld ausgegeben werden – nicht für Millionensubventionen für Unternehmen und Großkonzerne. Wir wollen billige Mieten, der Profit der Hausbesitzer interessiert uns nicht. Wir wollen eine billige und gute BVG, weniger Autos in der Stadt, und schon gar nicht eine neue Autobrücke über die Spree. Und wir brauchen ganz sicher nicht neue Billiglohn-Arbeitsplätze in den Callcentern von BASF und Quelle oder als Kartenabreisserin bei O2. Wir werden der Privatisierung der öffentlichen Flächen und Gebäude niemals zustimmen – Privatisierung heißt mehr Profite auf der einen und mehr Armut auf der anderen Seite, mehr Luxus für die einen und Armutslöhne für die anderen. Und wir brauchen auch keinen Lobbyverein wie „Media Spree e.V.“, der versucht, uns die Interessen der profitmachenden Firmen und Konzerne als unsere eigenen Interessen zu verkaufen. Das erfolgreiche Bürger_innenbegehren gegen Media Spree hat gezeigt, wie groß der Unmut über die hässliche Stadtumstrukturierung am Spreeufer ist. Tragen wir unseren Unmut und unsere Wut auf die Strasse – heraus zum Kiezspaziergang am 19. April! „MediaSpree“ versenken! Spreeufer für Alle!

Initiativkreis „Media Spree versenken!“ - Die Spree-Pirat_innen

Dieser Aufruf wird unterstützt von:
Mieter_innen-Organisationen: Mieterrat Block 100, Redaktion Mieterecho, Initiative gegen Zwangsumzüge Hausprojekte: Grünberger 73, Köpi, NewYorck im Bethanien, Rigaer 94, Scharnweber 38, Tuntenhaus Kollektive: Buchladen oh*21, Subversivdruck e.V., Vetomat Siebdruckwerkstatt & Cafe, YAAM Gruppen und Initiativen: Anarchistischische Föderation Berlin, Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB), AbrissBerlin, Attac Berlin, Autonome Antifa Lichtenberg-Süd, BUKO Arbeitskreis StadtRaum, BUKO Berlin, Gruppe Carambolage, Initiative Berliner Bankenskandal, Initiative gegen den Abriss der Eisfabrik, Initiative Zukunft Bethanien (IZB), Interkulturelles Anwohner_innenforum Bethanien (sOfa), INURA Berlin Bündnisse: Berliner Bündnis gegen Privatisierung, Freiraumkampagne 08, Projekte in Mitte und Prenzlauer Berg (P.i.M.P.)