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Pressereaktionen auf die Proteste bei der Eröffnung der Anschutz/ O2-Halle: Überblick und erste Einschätzung


Mittlerweile ist die Eröffnung der Anschutz/ O2-Halle genau eine Woche her. Vieles wurde schon gesagt: für uns waren die Proteste ziemlich gut, für Anschutz ein ziemliches Desaster. Nun ist es an der Zeit, mit einer Auswertung zu beginnen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Pressearbeit und den Pressereaktionen auf die Proteste, und kommt zu dem Schluß: Pressearbeit ist möglich und lohnt sich, die Reaktionen der Zeitungen sind aber sehr unterschiedlich und immer nur bedingt vorauszusagen.

Pressearbeit rund um die Halleneröffnung

Insgesamt wurden vor und nach der Eröffnung ungefähr 6 Pressemitteilungen verschickt, es gab eine Pressekonferenz (am Tag vor der Eröffnung), es gab diverse Telefoninterviews, und am Tag vor, während und nach der Eröffnung war ein Presse-Handy am Start. Es hat sich gelohnt, diese Arbeit zu machen. Natürlich war das Umfeld einer offensiven Pressearbeit äusserst günstig: der MediaSpree-Kontext, der erfolgreiche Bürger_innen-Entscheid, die Schiffsblockade im Juni und die erfolgreiche, große Spreeparade im Juli.

Bereits im Juli gab es erste Berichte in der bürgerlichen Presse (etwa Polizeieinsatz zur Eröffnungsparty // Berliner Zeitung 23.07.). Thematisiert wurde dann wieder die Anmeldung der Demo Mitte August, und dann in den Tagen direkt vor der Eröffnung das Teilverbot der Demo, aber auch der erwartete Protest insgesamt, etwa die Einsicker-Aktion der Hedonistischen Internationalen.

Nach dem Protest gab es ein breites Presse-Echo, das hier etwas näher betrachtet werden soll. Dies möge auch als Anregung zur weiteren Diskussion dienen. Denn was wollen wir eigentlich von der bürgerlichen Presse? Klar, zum einen wollen wir auch dort unsere Positionen vermitteln und unsere Argumente unterbringen, schliesslich wollen wir uns nicht in subkulturellen Nischen einrichten, sondern die Welt verändern. Aber gerade beim Thema Stadtumstrukturierung geht es immer auch darum, mögliche Investoren abzuschrecken, denn ein großes Investoren-Interesse an Grundstücken und Häusern hat immer steigende Grundstückspreise, steigende Mieten usw. zur Folge. Schon Marx hat erkannt: das Kapital ist zwar an sich ein scheues Reh, wenn jedoch die erwarteten Profite nur hoch genug sind, wird es mutig oder sogar übermütig.

Ein Dilemma an offensiver Pressearbeit ist immer, dass sich schnell Sprecher_innen-Positionen verfestigen. Zum einen führt das leicht zur internen Hierarchien, zum anderen kann das politische Gruppen in ernsthafte Krisen stürzen, wenn etwa der erklärte Sprecher einer Gruppe plötzlich beschließt, statt Basisarbeit in Zukunft doch lieber Parteipolitik machen zu wollen, wie dies etwa jüngst Attac geschehen ist. Die beste Vorbeugung ist, erst gar keine Sprecher_innen-Position entstehen zu lassen. Dies hat während der Pressearbeit zur Anschutzhallen-Eröffnung recht gut funktioniert. In der Presse wurden die verschiedensten Namen zitiert, und bei Interviews traten die Aktivist_innen in der Regel mit Perücke und Sonnenbrille auf.

Pressereaktionen: der Berliner Verlag

Ein sehr interessantes Ergebnis einer kleinen Durchsicht der Pressereaktionen auf die Proteste bei der Eröffnung der Anschutz/ O2-Halle ist, dass die Grenzen zwischen eher objektiver und eher hetzerischer Berichterstattung nicht so sehr zwischen "alternativen" und "bürgerlichen" Medien verlaufen, sondern viel mehr zwischen den einzelnen bürgerlichen Medien selbst. Entscheidend scheint hier auch nicht zu sein, ob es eher ein bildungsbürgerliches Blatt ist oder Boulevard, sondern es scheint eher eine Verlagslinie zu geben.

So war die Berichterstattung der "Berliner Zeitung" überraschend positiv. Zum einen wurde schon in den Überschriften klar gesagt, was für ein Desaster die Eröffnung für Anschutz war (Verpatzte Premiere, 1000 feiern drinnen, 1000 protestieren draussen). Zum anderen gab es Interviews sowohl mit dem Veranstalter der Eröffnungsshow als auch mit dem Pressechef von O2, in denen seitens der "Berliner Zeitung" sehr kritische Fragen gestellt wurden("Raum für Siege", Warum heißt die Halle O2-World?). Und ein Kommentar in der "Berliner Zeitung" verstieg sich sogar zur Behauptung, das Beste an der Eröffnung seien die Proteste gewesen (Kampf gegen Spaßterroristen).

Interessant war auch die Berichterstattung im Berliner Kurier, dem Boulevardblatt des Berliner Verlages. Hier wurden die Proteste weder dämonisiert noch begrüßt - sondern sie fanden einfach nicht statt (Eröffnung der O2-World).

Pressereaktionen: der Springer-Verlag

Ganz anders als die Reaktionen des Berliner Verlages waren die Reaktionen des Springer-Verlages. Und hier unterschied nur die Wortwahl die gleiche Tendenz sowohl im bürgerlichen Spektrum (Berliner Morgenpost) als auch im Boulevard-Bereich (die geliebte Bild-Zeitung). So titelte die Morgenpost u.a. Randalierer stören O2-Eröffnung, Gäste trotzen Störungen, Polizei nimmt zahlreiche Gewalttäter fest. "Bild" machte daraus u.a. Zerstören diese Chaoten Berlins Zukunft? und Es ist eine Schande!.

Dabei waren die Artikel der Springer-Presse mit den im wesentlichen gleichen Fotos aufgemacht wie die Artikel des Berliner Verlages, vor allem mit Fotos von grossen Bullenhorden in Kampfmontur vor der Halle und Protestierenden mit Transparenten und Schildern.

Sonstige Reaktionen

Damit liegt die Springer-Presse auf einer Linie mit den Äußerungen von Anschutz-Geschäftsführer Kornett, welcher in den Protesten vor der Halle eine "Gewalt neuer Qualität" zu sehen glaubte.

Die brutalsten "Gewalttaten", die uns bislang bekannt sind, waren das Werfen von zwei Rollen Klopapier und Konfetti. Deswegen ist einer der absurdesten Artikel zu den Prostesten auch der Artikel in der "BZ", weder Springer noch Berliner Verlag, sondern Ullstein: Spreepiraten greifen O2-World an - 1200 Randalierer lieferten sich stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei.

Was uns auch sehr gefreut hat, war ein englischsprachiger Artikel auf der internationalen Spiegel Online-Seite - denn schliesslich agiert das Kapital international, und es ist schön, wenn auch internationale Investoren wissen, womit sie vielleicht bei Investitionen in Berlin zu rechnen haben: Protesters Crash Berlin Arena's Opening Party.

Presse zur Halleneröffnung: ein Überblick


Vor der Eröffnung

Polizeieinsatz zur Eröffnungsparty // Berliner Zeitung 23.07.
MediaSpree-Gegner rufen zu Protest gegen O2-World auf // MoPo 23.07.08
Es wird gebaut wie geplant // Tsp. 23.07.
Demo gegen den "Kotzbrocken" von Halle // Berliner Zeitung 22.08.08
Interview mit Anschutz-Geschäftsführer Kornett // Morgenpost 29.08.08
Streit um Demo gegen Eröffnung der O2-Arena // Berliner Zeitung/ dpa 08.09.08
Gegner der O2-Halle erhalten Demo-Verbot // Mopo 08.09.
Umleitung für "Spreepiraten"-Demo // Berliner Zeitung 08.09.
Kaltschnäuzig funktional // Berliner Zeitung 08.09.
TV Berlin 09.09.08
Spiegel TV 09.09.08
Drinnen Freude, draussen Protest // Berliner Zeitung 10.09.
Demo in Abendkleid und Smoking // Tsp. 10.09.
O2-World: Hassobjekt der militanten Linken // focus 09.09.
Heute Demo gegen den "Kotzbrocken" // jw 10.09
Heute ist die Halle der Star // MoPo 10.09.
Disneyland an der Spree // jw 10.09.
Zurück zur Mehrzweckhalle // taz 10.09.
No-Name-Arena // taz 10.09.
Bitte sprengen, ganz schnell // taz 10.09.
"Der Widerstand lässt sich nicht verbieten" // taz 09.09.
Das Spreeufo ist gelandet // taz 09.09.
Sollte man die O2 World meiden oder lieben? // Tsp. 10.09.
Handfeste Architekturkritik // jw 10.09.
Gegner der O2-Arena attackieren Geschäft // MoPo 09.09.
Drinnen Freude, draußen Protest // Berliner Zeitung 10.09.

Nach der Eröffnung (Auswahl)

Randalierer stören O2-Eröffnung // MoPo 11.09.
Protesters Crash Berlin Arena's Opening Party // Spiegel Online 11.09.
Spreepiraten greifen O2-World an - stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei // BZ 11.09.
1000 Demonstranten zur Eröffnung der O2-World // dpa 10.09.
Gäste trotzen Störungen // MoPo 11.09.
Zwischenfälle bei Arena-Eröffnung // Eishockey Info 11.09.
Initiative kritisiert «unverhältnismäßige Gewaltausübung» // Welt 11.09.
Ein Traum wird wahr - neue Erlebniswelt für Berlin // MoPo 11.09.
Polizei nimmt zahlreiche Gewalttäter fest // MoPo 11.09.
Eröffnung unter Polizeischutz // MoPo 11.09.
Ankunft in der neuen Welt // Tsp. 11.09.
Bürgerinitiative kritisiert Polizeieinsatz // rbb 11.09.
Neue O2-Halle in Berlin feierlich eröffnet // dpa 11.09.
Tausende Demonstranten vor O2-Arena // Netzeitung 11.09.
Wowereit versteht Proteste gegen O2-Halle nicht // Tsp. 11.09.
13 Festnahmen nach Protesten vor O2-World // Welt 11.09.
Eröffnung mit Verspätung // taz 11.09.
1000 feiern drinnen, 1000 protestieren draussen // Berliner Zeitung 11.09.
Kampf gegen Spaßterroristen // Berliner Zeitung 12.09.
Warum heißt die Halle O2-World? // Berliner Zeitung 13.09.
Verpatzte Premiere // Berliner Zeitung 12.09.
"Raum für Siege" // Berliner Zeitung 12.10.
Zerstören diese Chaoten Berlins Zukunft? // Bild, 12.10.
Es ist eine Schande! // Bild 11.09.
Eröffnung der O2-World // Berliner Kurier 11.09.
Eröffnung mit Hindernissen // Welt 13.09.
Video bei Spreeradio über die Proteste auf und vor der Bühne
Nicht alle waren eingeladen // Tagesspiegel 11.09. (Video)
Video bei YouTube über die Eröffnungsproteste
Kurzvideo auf Englisch über die Eröffnungsproteste