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Redebeitrag zu steigenden Mieten in Kreuzberg 36 (Redebeitrag NO2-World-Demo 10.09.08)


Kreuzberg 36 ist sogenanntes Milieuschutzgebiet. Deswegen werden alle drei Jahre die Einkommensverhältnisse der Mieterinnen und Mieter und die Mietsituation untersucht.

Die Ergebnisse der diesjährigen Untersuchung wurden vor einigen Wochen im Nachbarschaftsladen in der Lausitzer Strasse vorgestellt. Zwei Entwicklungslinien sind deutlich sichtbar.

Zum einen nimmt das Einkommen der Menschen in einigen Kiezen von Kreuzberg 36, etwa dem Reichenberger und dem Lausitzer Kiez, sprunghaft zu. Und diese Zunahme des durchschnittlichen Einkommens der Menschen, die hier leben, ist nicht darauf zurückzuführen, dass früher arme Menschen nun mehr verdienen, sondern dass ein Austausch der Bevölkerung stattfindet: die ärmeren Menschen verlassen den Stadtteil, freiwerdende Wohnungen werden fast ausschliesslich an Menschen mit mittleren und hohen Einkommen vermietet.

Zum anderen, und passend zu dieser Entwicklung, steigen die Mieten und liegen in Kreuzberg 36 mittlerweile fast flächendeckend über den durchschnittlichen Mieten in Berlin.

In Kreuzberg 36 setzt sich eine Entwicklung fort, die in Mitte oder Prenzlauer Berg schon fast abgeschlossen ist: die Verdrängung der Menschen mit geringen Einkommen aus den Altbauquartieren der Innenstadt. Wo bis vor einigen Jahren auch Hartz 4- Empfängerinnen und schlechtbezahlte Arbeiterinnen und Arbeiter bezahlbaren Wohnraum finden konnten, entstehen nun Luxuswohnungen, wie etwa in den berüchtigten sogenannten „Car-Lofts“ in der Reichenberger Strasse, in denen die Eigentümer ihren Porsche oder Mercedes direkt vor dem Wohnzimmer im 4. Stock parken können.

Münchner, Pariser oder Londoner Mieten auch in der Innenstadt von Berlin? Es gibt wenige Gründe, warum die Entwicklung nicht in diese Richtung gehen sollte. Arme Menschen, bereits in den Bereichen von Bildung, Kultur, Gesundheit und Berufsleben an den Rand gedrängt und ausgegrenzt, werden nun auch räumlich vertrieben. Wer die Verlierer dieser Entwicklung sind, ist klar. Gewinner gibt es natürlich auch: die Besitzer_innen und Besitzer der Häuser, die nun hohe Mieten einnehmen können, und diejenigen, die sich die hohen Mieten in den schicken Innenstadtbezirken leisten können.

Mieten in Kreuzberg 36 auf Müncher, Pariser oder Londoner Niveau? Eine solche Entwicklung ist nicht unwahrscheinlich, hängt aber davon ab, was wir, als Mieterinnen und Mieter, machen.

Mit den Mieten verhält es sich nicht grundsätzlich anders als mit den Löhnen, die auf dem Arbeitsmarkt gezahlt werden. Die Löhne werden so weit wie möglich gesenkt, um die Profite der Kapitalistinnen und Kapitalisten zu erhöhen. Besonders gut geht dies natürlich in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, unterstützt durch Schikanen der Arbeitsämter, und diese Entwicklung gelangt nur dort an ihre Grenzen, wo wir Widerstand leisten, streiken, sabotieren, uns der Ausbeutung widersetzen.

Während auf dem Arbeitsmarkt sinkende Löhne den Profit erhöhen, sind es auf dem Wohnungsmarkt steigende Mieten, die die Gewinne in die Höhe treiben. Die Mieten werden so lange erhöht, wie sich noch Menschen finden, die bereit sind, diese Miete zu zahlen. Und auch hier, wie auf dem Arbeitsmarkt, ist das Einzige, was uns hilft, der Widerstand. Wenn wir uns organisieren, wenn wir nicht mehr bereit sind, der Immobilienwirtschaft weiterhin gigantische Profite zu ermöglichen, indem wir einen immer grösseren Teil unserer kläglichen Einkommen in die Miete stecken, können wir die ständige Steigerung der Mieten vielleicht stoppen.

Und vielleicht kommen wir auf beiden Märkten, dem Arbeitsmarkt und dem Wohnungsmarkt, wieder dahin, ernsthaft die Eigentumsfrage zu stellen. Eines Tages werden die Fabriken denen gehören, die hier arbeiten, und die Häuser denen, die hier wohnen, es wird keine Armut mehr geben und keine Ausgrenzung, sondern Bildung, Gesundheit und Wohlstand für alle – und das ist auch gut so.